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«Wir haben die Persönlichkeiten der Häuser angenommen»

An der diesjährigen Milan Design Week präsentierte der italienische Leuchtenhersteller Foscarini die Bildkollektion «Vite 2». Wie bereits bei «Vite 1» zeigt der Künstler und Fotograf Gianluca Vassallo auf atmosphärischen Aufnahmen, wie Menschen zuhause leben. Dies stellt einen Richtungswechsel im Marketing des Unternehmens dar. Im Interview spricht dessen CEO und Gründer Carlo Urbinati über seine Beweggründe dafür. 

Wie kam es zu «Vite» beziehungsweise zum neuen Ansatz in der Produktpräsentation bei Foscarini?

Carlo Urbinati: Zwei Gründe haben uns zu diesem Schritt bewogen. Erstens waren wir mit der Art und Weise nicht mehr zufrieden, mit der wir unsere Produkte zuvor gezeigt hatten: Wir hatten unsere Leuchten in perfekten, vollkommen kontrollierten Situationen präsentiert, in denen jedes Detail stimmte. Diese Situationen haben mit dem echten Leben von Menschen nichts zu tun. Zweitens hatten wir uns schon lange mit der Frage beschäftigt, was denn die Alternative sein könnte. Unsere Befürchtung war: Wenn wir eine Leuchte in einem realen Raum wie einer Küche zeigen, könnten die Menschen meinen, sie passe nur in Küchen. Damit würden wir die Einsatzmöglichkeiten für unsere Produkte stark einschränken. Erst durch die Gespräche und ersten Testshootings mit dem Fotografen Gianluca Vassallo erkannten wir die Möglichkeiten, die uns «Vite» eröffnete: unsere Leuchten an verschiedenen Orten der Welt, in unterschiedlichen Gebäuden, Räumen, Einrichtungsstilen, Kulturen und Lichtverhältnissen so zu präsentieren, dass man erkennt: Unsere Leuchten funktionieren überall.

Carlo Urbinati ist ein Designer aus Genua. Seit 1988 führt er Foscarini, 2014 wurde er dessen Alleinaktionär. Seit 2020 steht er überdies dem Verband der dekorativen Leuchtenhersteller in Italien, Assoluce, vor. Zudem ist er Herausgeber des Magazins «Inventario» und ein Förderer von Architektur und Kunst.

Wie authentisch sind die porträtierten Gebäude und Einrichtungsstile?

Die Leuchten stammen von uns. Das heisst, wir haben sie in die Häuser und Wohnungen gebracht. Ansonsten haben wir die Einrichtungen nicht verändert. Die Frage, ob wir dies tun sollten oder nicht, hatte uns intensiv beschäftigt. Nach vielen Diskussionen kamen wir zum Schluss: Jeder Eingriff würde implizieren, dass ein Möbel oder Teile der Einrichtung nicht schön oder gut genug wären. Wir wollten aber kein Urteil fällen, denn es gibt immer einen Grund, weshalb jemand sein Zuhause auf eine bestimmte Art möbliert. Ein sehr altes Möbelstück ist vielleicht ein Erbstück, das jemand von seiner Mutter oder Grossmutter erhalten hat. Die Bedeutung, welche dieses Möbel für die Person hat, kennt nur diese Person selbst. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, die Persönlichkeiten der Häuser, Wohnungen, Einrichtungen und Menschen ohne Wenn und Aber anzunehmen. Wie ich im Einführungstext zur ersten Ausgabe geschrieben habe: «Vite» lässt uns erkennen: Schönheit ist überall, wenn wir ihr einfach erlauben, uns zu verblüffen.

Diese und die nächste Aufnahme entstanden in Wuppertal.

Wie einfach oder schwierig war es, Menschen und ihre Wohnungen zu finden?

Das war der leichte Teil. Die Menschen, die wir porträtierten, sind alles entweder Freunde von uns oder Freunde von Freunden. In den meisten Fällen sind die Leuchten übrigens bei ihnen geblieben. Sie hatten ihnen gefallen, und wir konnten uns auf diese Weise dafür bedanken, dass unser Fotograf mehrere Tage mit ihnen hatte verbringen dürfen.

Wird es ein «Vite 3» geben?

Seit dem Launch des «Vite»-Projekts im Jahr 2020 haben sich viele Unternehmen von unserem Ansatz inspirieren lassen. Das hat bei uns die Frage aufgeworfen, was es heisst, wenn diese Art von Bildsprache und Marketing auf einmal breit eingesetzt wird. Denken unsere Händler und Kunden dann, «Ach, hier kommt eine weitere Firma mit echten Lebenswelten»? Aus diesem Grund haben wir uns mit der Fortsetzung von «Vite» zunächst ein wenig schwer getan. Da «Vite» für uns aber eine sehr gute Lösung für die Präsentation unserer Produkte ist, werden wir diesen Ansatz höchstwahrscheinlich weiterführen.

Während der Fotograf für «Vite 1» auf drei Kontinenten unterwegs war, beschränkte er sich für «Vite 2» auf Europa. Diese beiden Bilder führten ihn in die Lombardei.
Mönchengladbach ist der Schauplatz dieser Aufnahme.

Download der Bücher «Vite 1» und «Vite 2»: