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Natürlich gefärbte Heimtextilien

Giftig, krebserregend, umweltschädigend: Die synthetischen Färbemittel und ihre Zusatzstoffe stehen zunehmend in der Kritik. Als Alternative bieten sich natürliche Färbemittel an. Was können sie, und wo sind ihnen Grenzen gesetzt?  

Über Jahrhunderte wurden Textilien mit natürlichen Farbstoffen gefärbt: mit Indigo etwa, der gelben Reseda oder dem Karminrot der Cochenille, das der «Pantone Color of the Year 2023» zugrunde liegt. Im 19. Jahrhundert entwickelte man in Europa die ersten synthetischen Farbmittel. Seitdem ist es möglich, bei jedem Stoffballen und jeder Faserart zuverlässig das gleiche Farbergebnis zu erzielen. Auch bieten die synthetischen Färbemittel eine reichere Farbpalette mit intensiveren, brillanteren Tönen.

Synthetische Farben haben aber auch gewichtige Nachteile, insbesondere die häufig verwendeten Azofarbstoffe. Diese enthalten aromatische Amine, die sich beim Kontakt mit der Haut auflösen, in den Körper dringen und Krebs erzeugen können. Die EU und die Schweiz haben bereits 22 Amine sowie deren dazugehörende 426 Azofarbstoffe für die Verwendung in Textilien, die mit der Haut in Kontakt kommen, verboten. Bei den anderen aromatischen Aminen ist noch kaum erforscht, ob sie krebserzeugend sind; der Bund (BLV) rät jedenfalls dazu, sie «in Zukunft mehr zu beachten».

Giftige Zusatzstoffe

Problematisch sind auch bestimmte Färbemittelbeschleuniger (v.a. Lösungsmittel) und Fixierzusätze: Um die Farben auf den Fasern zu fixieren, werden Salze, chemische Beizmittel und Schwermetalle wie z. B. Chrom, Cadmium und Quecksilber eingesetzt. In grösseren Mengen können diese Schwermetalle Krebs hervorrufen und die Umwelt schädigen. Zwar gibt es in der EU und in der Schweiz Grenzwerte für Schwermetalle, doch zeigen Stichproben, dass diese regelmässig überschritten werden. Einige grosse Farbmittelhersteller – wie z. B. das Schweizer Chemieunternehmen Archroma – setzen deshalb verstärkt auf die Reaktive Färbung. Dieses Verfahren kommt ohne fixierende Schwermetalle, chemische Beizmittel und Azofarbstoffe aus.

Mit den EarthColors lancierte Archroma 2014 eine reaktive Farbmittellinie, die auf Pflanzenfarben basiert. Gewonnen werden die Färbemittel aus Abfällen der Landwirtschaft (u.a. Mandel-, Orangen-, Randenschalen) und der Kräuterindustrie. Die EarthColors-Palette umfasst sechs natürliche Farbtöne, mit denen sich Naturfasern und Viskose färben lassen. Zahlreiche bekannte Mode-Labels (u.a. Tom Taylor, Esprit, Patagonia) verwenden heute die EarthColors für Capsule-Kollektionen; im Heimtextilbereich setzen Indo Count, Primark und Urbanara die pflanzenbasierten Färbemittel von Archroma ein.

Vor- und Nachteile der Pflanzenfarben

Hessnatur und Lavie (Balsiger Textil) bieten Heimtextil-Kollektionen an, die mit eigens entwickelten pflanzlichen Farben gefärbt werden. Die «Linus natural»-Linie von Lavie umfasst drei Farbqualitäten: Mauve (Farbstoff aus Schellack), Khaki (Granatapfelschale) und Undyed (ungefärbt, ungebleicht). «Die grosse Herausforderung beim natürlichen Färben ist die Waschechtheit», sagt Käthi Bänteli, Verantwortliche für Nachhaltigkeit bei Balsiger Textil. «Mit dem Waschen verlieren die Farben etwas an Kraft. Das muss man so kommunizieren, dann ist es in der Regel kein Problem.» Auch die «Egalität» lasse sich mit Naturfarben nicht erreichen. Jede Charge sehe etwas anders aus. «Es handelt sich um ein Naturprodukt», erklärt Bänteli, «mit all seinen Vor- und Nachteilen.»

Für die Frühling-/Sommersaison 2023 bringt Lavie eine neue Art von Färbetechnik auf den Markt: «mineral dye». Die farbgebenden Pigmente stammen aus Sedimentgestein, das zu färbendem Pulver verarbeitet wird. Wie den Pflanzenfarben werden auch den mineralischen Farben synthetische Bindemittel beigegeben, damit sie an den Naturfasern haften. Die Bindemittel sind vom Global Organic Textile Standard GOTS freigegeben und unproblematisch. «Dieses Fixierverfahren hat sich bei den Naturfasern bewährt», erklärt Käthi Bänteli. An synthetischen Fasern (Polyester, Acryl) hingegen liessen sich Naturfarben bis dato nicht gut fixieren.

Farben von  gv-Bakterien

Künftig dürften genveränderte Mikroorganismen beim Färben helfen. Die englische Firma Colorfix bietet bereits solche Farbstoffe an. Den Bakterien wird ein DNA-Code eingeschrieben, der bei Pflanzen und Insekten für die Produktion eines Farb-Pigments verantwortlich ist. Daraufhin produzieren die Bakterien diese Pigmente in grossen Mengen nach der Vorlage der Natur. Weil die genveränderten Bakterien zudem in der Lage sind, die im Wasser vorhandenen Nährsalze und Metalle auf ein hohes Niveau zu konzentrieren, braucht es keine zusätzlichen giftigen Fixierstoffe. Unter den ersten Klienten von Colorfix sind renommierte Firmen wie H&M, Forster Rohner oder Acatel.

Mit den EarthColors lancierte das Schweizer Chemieunternehmen Archroma eine Färbelinie, die auf pflanzlichen Rohstoffen wie Mandel-, Orangen- und Randenschalen basiert. Gewonnen werden die Farben aus Resten der Landwirtschaft und der Kräuterindustrie. Die Farben werden im Fashion- und Heimtextilbereich eingesetzt.
Das Schweizer Label «Lavie» bringt für die Frühlings-/Sommersaison 2023 eine neuartige Kollektion mit Mineral Dyes auf den Markt: Die farbgebenden Pigmente stammen aus Sedimentgestein.