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«Wir stellen eine Kannibalisierung innerhalb der Branche fest»

Rainer Klein, Geschäftsführer von Küche Schweiz, über Küchentrends, Fachkräftemangel und Verwerfungen auf dem Beschaffungsmarkt.

Was sind die häufigsten Kundenwünsche beim Bau bzw. bei der Renovation einer Küche?

Rainer Klein: Bei der Planung einer Küche geht es primär darum, die Gewohnheiten der Käufer einzupassen und die Küche auf ihr Lebensgefühl abzustimmen. Dies erfordert gutes Zuhören. Befindet sich die Küche im offenen Wohn-Ess-Bereich, muss die Küche zudem auf den weiteren Raum eingehen, sofern dieser nicht angepasst wird. Der Küchenbauer wird so ein Stück weit zum Innenausbauprofi.

Gibt es die typische Küche?

Nein, es gibt aber verschiedene Grundrisstypen. In unserem Küchenratgeber, der auf unserer Website heruntergeladen werden kann, haben wir acht solcher Grundrisstypen definiert und aufgezeigt, in welcher Situation sich welcher Typ eignet. Die Küche in U-Form zum Beispiel verfügt über besonders viel Arbeitsfläche und Stauraum. Sie erlaubt optimales Arbeiten, erfordert aber ausreichend Platz. Die Küche mit Halbinsel wiederum ist eine gute Wahl, wenn sich Küche, Wohn- und Essbereich in einem Raum befinden, da die Halbinsel als Raumteiler eingesetzt werden kann.

Welche Materialien sind besonders gefragt?

Bei den Fronten sind Anti-Fingerprint-Materialien ein grosses Thema, weil sie Fett und Öl absorbieren. Gefragt ist weiter ein warmes Ambiente. Bei den Abdeckungen sehen wir deshalb viel Naturstein in Kombination mit natürlichem Holz und sichtbarer Holzstruktur. Das Holz ist nicht immer glatt poliert oder versiegelt, selbst Ritzen werden teils belassen. Im hochwertigen Bereich werden oft Metallvarianten wie Messing oder Kupfer eingesetzt. Sie haben sehr viel Charakter und entwickeln über die Jahre eine schöne Patina. Das kommt bei der Kundschaft an.

Merkmal dieser lackierten Küche sind fugenlose Oberflächen. Konzipiert wurde sie von Schreinerey aus Schöftland.

Welche Farben liegen bei Küchen im Trend?

Im Mietbereich ist die Dominanz von Weiss ungebrochen. Beim Wohneigentum fällt die Wahl oft auf eine Variante in Schwarzmatt oder auf Grün- oder Blautöne. Diese dunklen Küchen werden gerne mit einem hellen Naturholzboden kombiniert, damit sich eine Spannung ergibt. Im Wohneigentum ebenfalls beliebt sind Küchen in gebrochenen Weissvarianten.

Bei so vielen Farbmöglichkeiten kann die Wahl schwerfallen. Was empfehlen Sie als Auswahlhilfe?

In der Schweiz beträgt die durchschnittliche Lebensdauer einer Küche 30 Jahre. Eine solch hohe Lebensdauer erfordert eine langfristige Orientierung. Im Gespräch geht es deshalb darum, das Bedürfnis der Kunden zu eruieren und am Ende eine Farbwahl zu treffen, mit der sie sich langfristig wohl fühlen.

Welches sind die verrücktesten DIY Kitchen Fails, die Sie bzw. Ihre Mitglieder je angetroffen haben?

Die Kunden planen und montieren ihre Küche in der Regel nicht selbst. Deshalb würde ich hier nicht von DIY sprechen. Die Kitchen Fails ergeben sich eher dann, wenn die Beratung missglückte. Vielfach betreffen sie das Arbeitsdreieck zwischen Kochbereich, Kühlschrank und Wasser. Dieses soll dafür sorgen, dass jeder der drei Bereiche von den beiden anderen her mit einem Schritt erreicht werden kann, sodass die Wege kurz bleiben. Diese Regel wird zuweilen nicht eingehalten. Weiter finden sich teilweise eigenartig platzierte Funktionen: Steckdosen, die am falschen Ort eingebaut wurden oder ganz vergessen gingen, Armaturen vor dem Fenster, die das Öffnen des Fensters verunmöglichen oder Kühlschranktüren, die beim Öffnen direkt an eine Wand schlagen.

Bei dieser Küche von Orea am Standort Rothenburg treffen Fronten in geräucherter Eiche auf Fronten in Messing/ottone.

Die Smart Kitchen wird schon lange als Trend gehandelt. Was wird von den Kund*innen tatsächlich nachgefragt?

Die smarten Funktionen sind heute über die Kücheneinbaugeräte integriert. Sie sind mit Fernbedienungen, digitaler Navigation und Kameras ausgerüstet und enthalten Servicefunktionen, über welche die Herstellerfirmen Updates vornehmen können. Beim Induktionsherd ist es heute Standard, dass die Pfannen irgendwo auf dem Herd platziert und verschoben werden können. Da die Smart Kitchen längst Realität ist, würde ich deshalb nicht mehr von einem Trend sprechen.

Was bedeuten die Verwerfungen auf dem internationalen Beschaffungsmarkt für die Küchenhersteller*innen, aber auch für die Endkund*innen?

Die Verwerfungen waren 2021/22 stark ausgeprägt. Mittlerweile ist eine leichte Entspannung eingetreten, europaweit werden weniger Küchen gebaut. Dadurch nimmt der Nachfragedruck ab, die Verfügbarkeit und Liefergeschwindigkeit zu. Ab Mitte 2024 sollte die derzeitige Verzögerung bei der Zusage der Baugesuche vorüber sein, was der Konjunktur einen Schub verleihen kann. Bis 2040 gehen wir von einem Bevölkerungswachstum auf 10,5 bis 11 Millionen Einwohner aus. Dies ergibt ein durchschnittliches Wachstumspotenzial von einem Prozent pro Jahr.

Ein Küchenmonolith aus Quarzit, der sich mit einem drehbaren Holzaufsatz zu einer Bar erweitern lässt; viel Himmelblau und Bodenplatten aus Naturstein zeichnen diese neue Küche in einem Privathaus im Zürcher Oberland aus. Für die Planung der neuen Küche wie auch des übrigen aussergewöhnlichen Ausbaus war Bureau Hindermann aus Zürich verantwortlich.

Wie macht sich der Fachkräftemangel in Ihrer Branche bemerkbar?

Wir spüren ihn extrem, vor allem im Planungsbereich und in der Montage. Die Suche nach einem neuen Mitarbeiter kann gut sechs bis zwölf Monate dauern, was zu längeren Planungs- und Realisierungszeiten führt. Unser Verband bietet Aus- und Weiterbildungen an, die auch Quereinsteigern offenstehen. Wir stellen fest, dass alle Kursteilnehmer anschliessend über eine feste Anstellung verfügen. Menschen aus anderen Branchen zu holen und zu befähigen, braucht jedoch Zeit und Geld. Zudem reicht die Massnahme nicht aus, um das Problem zu lösen. Wir stellen eine Kannibalisierung innerhalb der Branche fest, sprich ein Abwerben. Weil dies in der Regel über höhere Löhne geschieht, setzt dies eine Lohnspirale in Gang, aber der Fachkräftemangel wird dadurch nicht geringer. Verschärft wird dieser durch die Tatsache, dass die öffentliche Hand als Arbeitgeber sehr hohe Löhne, verbunden mit attraktiven Sozialleistungen, offeriert. Sie konkurrenziert damit die privaten Arbeitgeber. Die Finanzierung erfolgt durch die Steuersubstrate, die von eben diesen Firmen kommen. Das ist ein Unding, dem allerdings zu wenig Beachtung zukommt.

Dass eine Küche nicht zwingend viel Platz benötigt, beweist dieser Küchenumbau von Baumann + Eggimann, die in Zäziwil ansässig sind.

Swiss Kitchen Award

Der Verband Küche Schweiz verleiht alle zwei Jahre den Swiss Kitchen Award. Für den 6. Swiss Kitchen Award 2023 hat eine Fachjury je acht Finalisten in den Kategorien «Schönste Küche» und «Bester Küchenumbau» bestimmt. Die Bilder hier zeigen eine Auswahl der Nominierten. Im Rahmen einer öffentlichen Abstimmung werden die Projekte nun dem breiten Publikum sowie Fachleuten in der ganzen Schweiz präsentiert. In einem Public Voting vom 3. September bis 8. Oktober 2023 können alle ihren Favoriten pro Kategorie benennen. Unter den Abstimmungsteilnehmenden wird eine Quooker-Armatur inkl. Montage im Wert von 4000 Franken verlost.

Das Einrichtungshaus Domus Leuchten und Möbel mit Sitz in St. Gallen hat diese helle Küche entworfen, bei der Holz eine wichtige Rolle spielt.