Die Verarbeitung von glasiertem Titanstahl – auch «emaillierter Stahl» genannt – ist die Kernkompetenz von Wilhelm Schmidlin. Das Unternehmen aus Oberarth realisiert heute nebst Badewannen auch andere Produkte aus dem Werkstoff.
«Sie können einen Ford in jeder beliebigen Farbe haben, solange er schwarz ist.» So oder ähnlich soll sich Henry Ford während der industriellen Revolution geäussert haben, die er mit der Entwicklung des Fliessbands massgeblich beeinflusst hat. Die schwarze Farbe trocknete anscheinend besonders rasch und befeuerte damit die Reise des legendären Modells T durch die Fabrik der Automarke.
Standard Alpinweiss
Bei den sanitären Produkten im Badezimmer sei traditionsgemäss nicht Schwarz, sondern Weiss die bestimmende Farbe. «Alpinweiss», präzisiert Beat Wullschleger. In dritter Generation führt er gemeinsam mit seinem Bruder das Unternehmen Wilhelm Schmidlin aus Oberarth im Kanton Schwyz. Gut 95 Prozent der Produkte würden sein Werk mit weiss glänzender Oberfläche verlassen, erzählt Wullschleger. Vor einigen Jahren noch dürften es annähernd 100 Prozent gewesen sein. Die Gemeinsamkeit mit den Anfängen der Automarke Ford liegt hier weniger an der Produktionsweise, die dank dem Lackieren einer einzigen Farbe besonders ökonomisch ausfällt, sondern an einem Standard im sanitären Bereich: Auch die anderen Zulieferer im Bad messen dem Alpinweiss grosse Bedeutung zu, was die Gestaltung eines Badezimmers dank Farbkonsistenz besonders einfach macht. Ausserdem sei Weiss bei Badewannen, Duschflächen oder Lavabos leicht zu reinigen; die Farbe gibt Kalkflecken kaum Chancen.
Sonderanfertigungen
Das Ignorieren der Kundenbedürfnisse konnte vor gut hundert Jahren offenbar mit einem modernen und wegweisenden Produkt sowie einem adäquaten Preis gerechtfertigt werden. Wer einen Ford wollte, nahm in Kauf, dass er diesen nur in Schwarz bekam. Das ist heute etwas anders. Die Kundenwünsche spielen eine grosse Rolle: «Wir spüren einen Trend hin zu farbigen Produkten aus emailliertem Titanstahl», sagt Beat Wullschleger. Er geht nicht nur auf besondere Farbwünsche, sondern auch auf Sonderwünsche im Bereich der Abmessungen ein. Möglich ist das einerseits dank modernster Fertigungstechnologie, andererseits dank einem ebenfalls modernen Lean-Management: Hinter Glasscheiben im Ausstellungsraum sieht man, wie Roboterarme einen um den anderen pendenten Auftrag abarbeiten; gerade hängen verschiedene Werkstücke zum Trocknen von der Decke. Sie bewegen sich langsam, aber stetig, um den nächsten Kommissionen Platz zu machen.
Lean-Management
Die nächste Kommission kann beispielsweise aus einer Badewanne, einer Duschwanne oder Duschfläche, einem Urinal oder einem Lavabo bestehen. Gefertigt wird in der Reihenfolge des Auftragseingangs. Eine Lagerhaltung ist nur noch für Highseller notwendig, «Production on Demand» lautet die Maxime. «Zu Testzwecken haben wir gemeinsam mit unserem japanischen Lean-Berater eine Badewanne innert vier Stunden hergestellt», sagt Beat Wullschleger mit Nachdruck. Die Zeit sei vom Auftragseingang bis zur erfolgten Montage gemessen worden. Im Tagesgeschäft ist die Durchlaufzeit nicht ganz so kurz: Für die Produktlinie «Vario» darf mit Lieferfristen von zehn Tagen gerechnet werden; mit der Option «Subito» verkürzt sich diese auf vier Tage. Dabei besteht bei «Vario» die Möglichkeit, Masse zentimeterweise auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen. In einem vorgegebenen Rahmen sind den Wünschen hier kaum Grenzen gesetzt. Auch für den Fall, dass die Wünsche diesen Rahmen sprengen, bietet Wilhelm Schmidlin eine Möglichkeit: Spezialanfertigungen lautet die Sparte. Hier wird der tiefgezogene Stahl noch von Menschenhand gemäss den Vorgaben der Kundschaft zusammengeschweisst. Dank Lean-Management oder Lean-Produktion können Einzelstücke zu Preisen angeboten werden, die mit einer weniger entwickelten Produktion nur Massenware vorenthalten sind.
Neue Bereiche
Die Flexibilität, die das Lean-Management dem Unternehmen verleiht, ist für Wilhelm Schmidlin von grosser Bedeutung. Zumal der im Bereich von Badewannen verankerte Produzent seit ein paar Jahren auch Küchenrückwände und Whiteboards anbietet. Der glasierte Titanstahl eignet sich für beide Einsatzzwecke ausserordentlich gut: Die Oberfläche ist sehr robust, gleichzeitig ist sie mit einem Whiteboard-Marker beschreibbar und danach rückstandslos auch wieder zu reinigen. Dank dem Kernmaterial Titanstahl haften Magnete an der Oberfläche. Somit können (freistehende) Badewannen mit magnethaftenden Handtuchhaltern ergänzt werden; bei Küchenrückwänden und Whiteboards liegt das Anbringen von Notizen an der Tagesordnung. Für Küchenrückwände sind gar Zubehör wie Bücherhalter, Eierhalter oder ein Messerhalter erhältlich. Ziemlich neu sind auch Blackboards, an deren matter Oberfläche Kreide haften bleibt. Damit rüstet sich das im Badezimmer verankerte Unternehmen für neuartige Produktideen im Büro. Vielleicht ein wenig gemäss dem mit Vorsicht zu geniessenden Motto von Henry Ford: «Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.»
www.schmidlin.ch