Thomas Hohl und Nicole Fry erarbeiten für ihre Kundschaft Farbgestaltungen für Innen- und Aussenräume. Im Interview erklären die beiden, warum sie auf «Rezepte» verzichten, wie man ein individuelles Farbkonzept entwickelt und warum man die Auftraggeber*innen besser nicht nach deren Lieblingsfarben fragt.
In früheren Epochen wurde auch in der Schweiz selbstverständlich Farbe am Bau eingesetzt. Es folgte eine Zeit der mehrheitlich weissen Architektur – innen wie aussen. Wo stehen wir heute?
Thomas Hohl: Da muss man unterscheiden. Der Innenbereich von Mietwohnungen ist zumeist weiss und wird wohl auch in Zukunft mehrheitlich weiss bleiben. Mieterinnen und Mieter übernehmen weisse, renovierungsfreundliche Wohnungen und geben sie auch so wieder ab. Im Objektbereich und bei den Eigentumswohnungen hingegen hat sich in den letzten Jahren einiges verändert. Man kann hier den Willen zur Farbgestaltung erkennen, auch wenn das Resultat nicht immer überzeugt.
Warum nicht?
Hohl: Zu oft folgt man einem allgemeinen Trend, wie momentan zu getrübten Farben. Die Gefahr bei diesen trendigen Lösungen besteht darin, dass eine Ästhetik kreiert wird, die aus Zeitschriften kopiert wird und an Designerhotels erinnert und somit wenig Persönlichkeit ausstrahlt. Im schlimmsten Fall beeinträchtigt die Farbgestaltung die Architektur oder steht quer zu den Bedürfnissen der Nutzenden.
Nicole Fry: Im Bürobereich etwa liess man sich zuletzt gern von Bildern in den Medien inspirieren, etwa von den knallfarbigen Rutschbahnen bei Google. In Aufenthaltsbereichen kann ein starker Farbeinsatz durchaus Sinn machen. In einem Langaufenthaltsbereich empfiehlt sich, eine permanente optische Reizüberflutung zu vermeiden. Man muss die richtige Balance finden, denn sowohl ein Zuviel wie ein Mangel an Reizen können zur Ermüdung führen.
Wie entsteht bei Ihnen ein Farbkonzept?
Hohl: Basis bildet immer eine gründliche Analyse der Architektur, die auch die Umgebung und die Lichtsituation einbezieht. In Gesprächen mit der Bauherrschaft ermitteln wir dann die Wünsche und Bedürfnisse. Auf dieser Basis formulieren wir eine Stimmung bzw. ein Ziel, das mittels Farbe und Materialien erreicht werden soll. Dann prüfen wir, welche Farben dienlich sind und wo wir die Farben einsetzen: an einer Wand, an der Decke, am Boden, an der Tür? Oder lassen sich Akzente über die Möbel und Textilien setzen? Durch diese Vorgehensweise entstehen gestalterische Unikate, die in einem anderen Kontext gar nicht funktionieren. Losgelöst von unserem eigenen Geschmack.
Und vom Geschmack der Auftraggeber*innen?
Fry: Wir fragen die Auftraggeberinnen und Auftraggeber nie nach deren Lieblingsfarben. Zum einen hilft uns das nicht weiter, wenn etwa von «Rot» die Rede ist – es gibt so viele unterschiedliche Tönungen. Zum anderen sind Farben zwar Geschmackssache, aber sie können und sollen auch Aufgaben erfüllen. Wir erkundigen uns also zuallererst nach den Bedürfnissen und richten unser Farbkonzept nach diesen aus.
Inwiefern beeinflusst die Farbgestaltung die Materialisierung und die Ausstattung von Räumen?
Hohl: Idealerweise sind Materialisierung und Ausstattung ein Teil des Farbkonzepts. Wird die Farbgestaltung möglichst früh in den Planungsprozess einbezogen, können sämtliche Material-, Ausstattungs- und Farbentscheide aufeinander abgestimmt werden. Eine Farbgestaltung kann aber auch wie eine Bühne sein, welche die Benutzerinnen und Benutzer zum Beleben einlädt.
Wie bekommt man ein Gespür für den «richtigen» Farbton? Lässt sich das erlernen?
Fry: Kenntnisse über Farbenlehren, Kontraste, Sättigungen, die Wirkung der Farben im Raum und so weiter sind sehr hilfreich. Es braucht aber auch einiges an Erfahrung, um sich Farben, ihr Zusammenspiel und die optische Aussage auf einer grossen Fläche vorstellen zu können.
Welche Bedeutung hat das Thema Farben in den Grund- und Fachschulen?
Fry: An den öffentlichen Grundschulen herrscht diesbezüglich eine Spracharmut. Es werden kaum Begriffe vermittelt, um über Farben zu sprechen. Da lässt man vielleicht mal ein Mandala ausmalen oder verteilt einen Farbenkreis. Erfreulich ist hingegen, dass das Thema Farbe/Farbgestaltung in der Ausbildung von Architektinnen, Innenarchitekten, Einrichtern und Wohnberaterinnen an Bedeutung gewonnen hat. Mit diesen zusätzlichen Kompetenzen im Bereich der Farbgestaltung lassen sich stimmigere Raumkonzepte erstellen. Noch rar sind hingegen die Spezialistinnen und Spezialisten. Der Lehrgang zum Farbdesigner BP hilft, diese Lücke zu schliessen und das Potenzial der Farbe in all ihren Facetten anzuwenden.