Walter Amrhyn biegt alte Fassdauben wieder gerade, um aus den bis zu 250 Jahre alten Brettern neue Möbel zu schaffen: Tische, Stühle und Ladeneinrichtungen mit einem ganz eigenen Charakter.
Es begann mit einem krummen Schuhregal, das der junge Zimmermann Walter Amrhyn für die Einweihung des renovierten Elternhauses schuf. Eine spontane Aktion. Im Garten lag ein altes Fass ungenutzt herum; Amrhyn nahm es auseinander, baute mit den gebogenen Brettern ein Gestell und platzierte dieses neben den Hauseingang. Zu seinem Erstaunen avancierte das Regal zum Gesprächsthema auf der Party. Das alte Holz begeisterte die Gäste. Da habe es bei ihm klick gemacht, erzählt Amrhyn. Wenn es ihm gelingen würde, die Fassdauben gerade zu biegen, könnte er noch schönere Möbel zimmern und daraus vielleicht sogar ein Geschäft machen. Noch in derselben Nacht setzte Amrhyn auf einem Campingkocher Wasser auf und hielt eine Daube so lange über dem Dampf, bis sie sich biegen liess.
Das Produktionsprinzip ist bis heute dasselbe geblieben, die Mittel aber sind ganz andere: Walter Amrhyn arbeitet inzwischen mit einer computergesteuerten Dampfanlage, einer der weltweit modernsten ihrer Art. «Sie ermöglicht es, Vollholz mit einer Dicke von bis zu zehn Zentimeter zu biegen», erklärt der Möbelbauer. Zwei bis drei Stunden lang werde das Holz in der Röhre «gedämpft», anschliessend gepresst, getrocknet und gelagert.
Einzelstücke aufspüren
Das Altholz-Lager ist gut gefüllt. «Die Rohstoffbeschaffung ist bei uns ein sehr wichtiges und langfristiges Thema», erklärt Amrhyn. «Es gibt nur wenige Quellen, die uns regelmässig alte, unbrauchbare Weinfässer liefern können. 100 bis 250 Jahre alte, bis zu mehreren Tonnen schwere Eichenfässer kann man nicht im Internet bestellen. Die muss man selbst aufspüren.» Dabei helfen freundschaftliche Beziehungen zu Kellereien und zu den wenigen noch tätigen Küfern in der Schweiz. Walter Amrhyn kauft ganz bewusst nur Fässer, die für die Weinproduktion nicht mehr taugen. «Die Eichenfässer wurden mit viel Sorgfalt und grossem Können für diesen Zweck hergestellt. Es wäre respektlos, wenn man sie vorzeitig auseinandernimmt.»
Wichtig sei ihm auch, dass die Dauben ihren Charakter behalten, sagt Amrhyn. Die daraus gefertigten Möbel sollen wie das ehemalige Weinfass den Charme des Benutzten haben. Ihre Oberflächen werden nicht gehobelt, sondern nur minimal geschliffen und anschliessend farblos geölt. Auch die alten, teils feuerverzinkten, teils oxidierten Fassreifen werden wiederverwendet. Zusammen mit einem Schmied stellt Amrhyn aus den alten Metallreifen Tischfüsse, Möbelfronten oder Rahmen für Bilder und Spiegel her. Zudem nutzt er das Material für Details bei Schubladen und Türen.
Kundschaft wird eingebunden
Seit der Firmengründung von «Walter’s Wood Idea» im Jahr 2007 hat Amryhn mehrere hundert Projekte ausgeführt, darunter ganze Ladeneinrichtungen und Küchenfronten. Im Zentrum seiner Arbeit stehen aber weiterhin Tische. 2021 verlegte er seinen Wohn- und Arbeitsort von Ruswil (LU) ins jurassische Pleigne. Hier hat er nun ausreichend Platz für die Werkstatt, das mächtige Fass- und Trockenholzlager sowie den neuen Ausstellungsraum. Regelmässig lädt Amrhyn Kundinnen und Händler zu sich ins Atelier ein und demonstriert den Arbeitsprozess. Die Kundschaft kann die Dauben für ihre Möbel vor Ort aussuchen und bekommt die fertigen Möbel später in Wolldecken eingewickelt nach Hause oder ins Geschäft geliefert.
Jedes Möbelstück und jedes Fass wird nummeriert. Dazu gibt es zu jedem Möbelstück eine Identifikationskarte, auf der die Herkunft, der Jahrgang und die Eigenschaften des Rohmaterials festgehalten sind. «Und wenn möglich, legen wir auch ein Foto des Originalfasses dazu», sagt Walter Amrhyn. So übergibt der Möbelmacher die ganze Geschichte des Fasses in die Hände seiner Kundschaft.