Das Sehen verändert sich im Alter. Im Falle von Demenz kann zudem die Orientierung stark beeinträchtig sein. Bei der Farbgestaltung von Alters- und Pflegeheimen gilt es, die vielfältigen körperlichen und mentalen Veränderungen bei älteren Menschen zu berücksichtigen.
Bunte Räume in Kitas, sanfte Farben in Altersheimen: Was intuitiv stimmig klingt, erweist sich in der Praxis als falsch. Ältere Menschen bevorzugen in ihrer Umgebung kräftige Farbtöne und kontrastreiche Gestaltungen. Denn ihre Augen sehen anders: Durch die altersbedingte Verkleinerung der Pupille fällt bei einem 70-Jährigen etwa dreimal weniger Licht auf die Netzhaut als bei einem 20-Jährigen. Und: Ältere Menschen nehmen Farben weniger gut wahr. Ein Grund ist die fortschreitende Vergrauung der Linse («Grauer Star»). Sie gehört zum normalen Alterungsprozess und verändert das Sehen: Alle Farben erscheinen viel matter, milchiger und oft verschwommen. Farben aus blauen Wellenlängen werden stark vergraut wahrgenommen; Farbtöne gleicher Helligkeit lassen sich oft nicht mehr unterscheiden. «Aufgrund dieser veränderten Wahrnehmung sollte man beim Farbkonzept immer auf ausreichende Helligkeitskontraste achten», rät Andrea Schäfer, Farbdesignerin beim deutschen Farben- und Lackspezialisten Brillux und Expertin für die Gestaltung von Senioreneinrichtungen. «Im Zweifelsfall hilft es, die Augen zusammenzukneifen, bis die Farben ziemlich verschwinden, oder die Situation zu fotografieren und in Grautönen anzusehen.»
Kontraste schaffen Orientierung
Ein gelungenes Farbkonzept stärkt nicht nur das Wohlbefinden, es dient auch der Orientierung und mindert die Gefahr von Unfällen. «Wichtig ist, dass die Raumgrenzen durch ausreichende Helligkeitskontraste sicher erkennbar sind», sagt Andrea Schäfer. Etwa durch kontrastreich abgesetzte Fussleisten und Türen. Auch der Handlauf und die Griffe im Bad sollten sich klar von den Wänden unterscheiden, damit sie als Hilfsmittel für die Betroffenen erkennbar sind. Deutlich von der Umgebung abzugrenzen sind ebenso «Hindernisse» wie Pfeiler, Vorsprünge oder Möbelstücke.
Zu beachten ist zudem, dass sich mit fortschreitendem Alter der Sehwinkel verändert und die Augenbewegungen allmählich erstarren. Dies führt zu einer Einengung des Gesichtsfelds. Gestaltungselemente und Informationen, die der Orientierung dienen, sollten deshalb möglichst zentral platziert werden und nicht weit oben oder unten an der Wand, wo sie leicht übersehen werden. Anzustreben ist auch eine gleichmässige und blendfreie Grundbeleuchtung, mit der die Farbigkeit nicht verfälscht und die Kontrastwirkung gefördert wird.
«Erinnerungszimmer» mit Retro-Farbtrends
In Pflegeheimen leiden im Schnitt fast zwei Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner an Altersdemenz. Viele der Betroffenen leben nur noch in ihrer persönlichen Erinnerungswelt – meist ist dies die Zeit ihrer «besten Jahre», also zwischen 20 und 30. Durch die Ausstattung der Wohnbereiche mit Gegenständen und Farbtrends aus dieser Epoche lässt sich das häufig noch sehr lange funktionierende Langzeitgedächtnis von Menschen mit Demenz mobilisieren. Studien zeigen zudem, dass warme und erdige Farbtöne – vor allem Mischfarben aus Gelb und Rot wie z. B. Orange – im Langzeitgedächtnis abgespeichert sind und auch noch im Alter als angenehm empfunden werden.
Farbgestaltung gleicht Defizite aus
«Farben sind ein mächtiger Hebel», sagt die Expertin. Mit einer guten Gestaltungsarbeit könne man die Defizite der Bewohnerinnen und Bewohner ein Stück weit ausgleichen und eine stress- und angstfreie Wohnumgebung schaffen. Dabei gelte es, die Sehgewohnheiten und «erlernten Dekore» der Bewohnerinnen und Bewohner zu berücksichtigen und auf Spiegel sowie spiegelnde Oberflächen zu verzichten.