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Ein Bauplan zum Begehen

Am Swiss Center for Design and Health in Nidau bei Biel/Bienne lassen sich Baupläne für Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen und öffentliche Räume im Massstab 1:1 testen. Gemeinsam mit den Nutzenden finden die Planenden heraus, ob ihre Vorstellungen in der Praxis funktionieren.

Die Szenerie erinnert an ein zeitgenössisches Theater: In einer riesigen Halle breitet sich eine ganze Spitaletage aus – mit weissgefärbten Wänden, Türen und Möbeln. Ein Mann schiebt ein Bett durch einen Gang und zwängt es mühsam in ein Zimmer; am Empfang versucht eine Frau im Rollstuhl, mit der Rezeptionistin Kontakt aufzunehmen – was ihr nur schwer gelingt, weil die Theke zu hoch ist. «Wir können hier Szenen aus dem Betrieb realitätsnah simulieren und so wertvolle Feedbacks der Nutzenden gewinnen», sagt Stefan Sulzer, Managing Director des Swiss Center for Design and Health (SCDH). Es mache einen grossen Unterschied, durch Räume zu gehen oder sie einfach auf Plänen zu sehen, fügt er an. «Die Simulationen helfen, Planungsfehler früher zu erkennen und Kosten zu sparen. Durch den frühen Einbezug aller Beteiligten erhöhen sie zudem die Akzeptanz von Bauprojekten.»

Auf die Frage, wieso man die Simulationen nicht einfach über Virtual-Reality-Brillen durchführt, antwortet Stefan Sulzer: «Einige physikalische Eigenschaften lassen sich, zumindest heute, noch nicht simulieren. Beispielsweise das Gewicht eines Spitalbetts, das man durch einen Flur schiebt. Zudem entspricht das Verhalten im virtuellen Raum nicht demjenigen im physischen Raum und generiert eine andere Datenlage.» Bei Bedarf ziehe das SCDH aber VR-Lösungen zur Simulation auf der Fläche bei, sagt Sulzer. «Aber solange wir physische Häuser bewohnen, in physischen Räumen arbeiten und in physischen Umgebungen mit anderen Menschen interagieren, spielt die Physikalität auch bei unseren Simulationen eine Rolle.»

Design, das die Gesundheit unterstützt

2019 als Public-private-Partnership gegründet, ist das SCDH seit 2023 operativ in Nidau bei Biel/Bienne tätig. Es unterstützt Kundinnen und Kunden aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand bei der Konzeption, Entwicklung und Überprüfung von Design- und Architekturlösungen – mit dem Ziel, die Gesundheit der Nutzenden zu unterstützen. Gesundheit versteht man dabei nicht als «Abwesenheit von Krankheit», sondern als Ausdruck von individueller Autonomie und von Gemeinwohl. Sie wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt.

Herzstück des SCDH ist die sogenannte Extended-Reality-Simulationsfläche. Auf 560 Quadratmetern lassen sich hier Simulationen im Massstab 1:1 durchführen. In grosser Höhe montierte Projektoren bilden die Grundrisse auf einem weissen Bodenbelag ab. Anschliessend werden Wände, Türen, Fenster und Möbel in der vorgesehenen Grösse millimetergenau auf die Linien platziert. Gefertigt werden die Karton- und Holzattrappen in den eigenen Werkstätten des SCDH; auch Metallarbeiten werden vor Ort durchgeführt.

Test- und Showrooms

Auf weiteren 300 Quadratmetern können realitätsnahe Testsettings für Institutionen wie Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen oder care@home-Situationen probeweise gestaltet und eingerichtet werden. Dabei werden technische Hilfsmittel und Materialien, Farben sowie das Licht auf ihre Tauglichkeit bezüglich Autonomie, Barrierefreiheit, Sicherheit und Wohlbefinden untersucht. Bei unserem Besuch ist beispielsweise eine neuartige Simulationsleuchte in einem Flur eingebaut. Sie simuliert ein natürliches Oberlicht: Durch die Luke scheint man den blauen Himmel wahrzunehmen und Sonnenlicht, das den Raum erfüllt – Lichtintensität und -farbe lassen sich auf den Tagesverlauf der Sonne einstellen. Auch Funktionsvorhänge von Création Baumann und speziell für ältere oder pflegebedürftige Menschen designte Möbel von Girsberger werden gezeigt.

In regelmässigen Abständen öffnet das SCDH seine Türen und bietet allen Interessierten geführte Rundgänge an. Die nächsten Termine: 31. Oktober und 12. Dezember 2024. Anmelden kann man sich über das Anmeldeformular auf der Website des Zentrums.

Auf einer weiteren Fläche lassen sich Zimmer probeweise gestalten und einrichten. Dabei werden Materialien, Farben sowie das Licht auf ihre Tauglichkeit bezüglich Autonomie, Barrierefreiheit, Sicherheit und Wohlbefinden untersucht. 
Workshop mit den Nutzenden: Wie lassen sich die Pläne auf ihre Bedürfnisse optimieren?