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Die oberste Schicht

Dekor nennt man die oberste Schicht, welche der Holzwerkstoffplatte aus optischer Warte ein Gesicht verleiht. Bezüglich Oberflächen könnte eine neue Ära anbrechen, wie ein Augenschein bei einem Schweizer Produzenten von dekorativen Holzwerkstoffen zeigt.

Wer auf der Hauptstrasse von Willisau nach Wolhusen fährt, der verfehlt sie kaum: Die Swiss Krono AG, kurz vor dem Dorfeingang Menznau. Da steht eine stattliche Industrieanlage, mit beleuchteten Verwaltungsgebäuden, silberglänzenden Rohren, sich auftürmenden Silos, in den Himmel ragenden Kaminen sowie den weitläufigen Werk- und Lagerhallen.
In der Fabrik werden Holzwerkstoffplatten produziert, namentlich Spanplatten, MDF- sowie HDF-Platten und deren Beschichtungen aus imprägniertem Papier. Das Vorgehen bei der Herstellung der verschiedenen Platten unterscheidet sich, der Rohstoff freilich ist derselbe: Auf der gegenüberliegenden Strassenseite türmt sich das Rundholz, welches in den Schlund der überdimensionalen Maschinerie geworfen, zerkleinert, allenfalls gekocht, mit Kleber vermischt und am Ende zu ebendiesen Platten gepresst wird.

Die Möbelbauplatte

Insbesondere die Spanplatte dient seit geraumer Zeit als preiswerte Möbelbauplatte. Die Jahresproduktion
beträgt 400 000 Kubikmeter, was bedeutet, dass jeden Tag 33 mit Spanplatten beladene LKWs die Produktionsstätte Menznau verlassen und in die Welt hinausfahren. Mit einem entsprechenden Dekor kann dieser Platte der Schein verliehen werden, als sei sie aus Massivholz, oder gar aus Stein, was zurzeit im Trend liegt. Unterschiede zum originalen Werkstoff sind immer weniger auszumachen, nicht zuletzt aufgrund von Synchronporen. Nur die stirnseitige Kante kann dann und wann mal Aufschluss darüber geben, dass es sich beim Innenleben um ein Trägermaterial, im Falle der Möbelplatte meist P2, handelt.
Nebst der grossen Menge an Spanplatten werden im Innern der stattlichen Industrieanlage pro Jahr auch 130 Millionen Quadratmeter imprägniertes Papier produziert. Bei der Imprägnierung handelt es sich um Melaminharz. Würde man die Papiere aneinanderreihen, welche in der Regel in der Länge 5600 mm und in der Breite 2070 Millimeter messen, so käme eine Fläche von 50 Fussballfeldern zustande – pro Tag wohlverstanden. Rund 80% der produzierten Spanplatten verlassen das Werk in beschichtetem Zustand.

Vom Trend zum Dekor

Doch wie findet ein Dekor eigentlich Einzug in die Kollektion? Zunächst einmal ist da die Inspiration. «Wir lassen uns inspirieren, indem wir recherchieren, beobachten», sagt Heike Schlosser, Design-Managerin bei der Swiss Krono. Das bedeute, dass man sowohl schaue, was in angrenzenden Branchen geschehe, wie auch die Bewegung in der Gesellschaft mitverfolge. Zudem sei die Rückmeldung von Kund*innen eine wichtige Informationsquelle. Auch mit Designbüros arbeite man gerne zusammen. Darunter gibt es solche, die sich ausschliesslich mit neuen Mustern, Farben und Oberflächen befassen. Die zuweilen aufwändig und händisch erstellten Entwürfe bilden oft die Basis zu einem neuen Platten-Design.
Doch die Swiss Krono betreibt auch selber Trendforschung. Diese teilt sie auf der «Connect»-Website auch gerne mit interessierten User*innen.
Das Papier wird vor dem Imprägnieren mit dem nötigen Sujet bedruckt. Das geschieht konventionell im Rotations-Tiefdruckverfahren, neuerdings mehr und mehr im Digitaldruck, sprich mit einem grossen Inkjet-Drucker. Dadurch werden auch Kleinmengen machbar (siehe Kasten). Am Ende hat man mit der Wahl oder der Herstellung eines Pressblechs die Möglichkeit, dem Dekor eine Textur zu verpassen.

Oberflächen mit Funktion

«Im Trend sind vor allem naturnahe Muster, wie beispielsweise gewisse Holzarten, Steinoptiken oder auch wieder Terrazzo», sagt Heike Schlosser. Dass es sich bei den bedruckten, imprägnierten und verpressten Papieren nicht um echte Rohstoffe handelt, sondern um eine Kopie, stört sie nicht. «Wir brauchen nur den Bruchteil eines Baumes, um daraus mehrere tausend Quadratmeter wunderbares Dekor herzustellen», erklärt sie. Das sei durchaus ressourcenschonend. Zudem gibt es mit der «BE.SAFE»-Technologie seit geraumer Zeit die Möglichkeit, Oberflächen antimikrobiell auszubilden. An manchen Orten, wo hohe Hygienevorschriften dies fordern, ist es also gar nicht möglich, originale Materialien einzusetzen. Eine beschichtete Holzwerkstoffplatte dagegen bietet Dekor-unabhängig den gewünschten Standard.
Und auch für diejenigen, welche den Formaldehydgehalt von Platten anprangern, haben die Verantwortlichen eine Antwort. Sie lautet: «BE.YOND». Der ebenfalls relativ neue Plattenstandard scheidet gemäss Hersteller nicht mehr Emissionen aus als ein Baum. Verpresst ist die Platte mit biobasierten Klebstoffen. Dekore können aus der gesamten SWISS KRONO ONE WORLD-Kollektion ausgewählt werden. Ebenso arbeitet ein anderes aktuelles Produkt mit ökologischen Standards: der COREPEL-Designboden, der kürzlich den Innovationspreis der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz gewonnen hat.
Diese Entwicklungen dürften doch klar in die Richtung einer neuen Ära weisen; oder wie Heike Schlosser es antönt: «Das Ziel ist ganz klar. Kreislauffähige Produkte sind die Zukunft.»

Individuelle Dekore {{Kasten}}

Weil Inkjet-Drucker für das Bedrucken von Dekorpapieren heute stabiler laufen als noch vor einigen Jahren, wird dieses Verfahren nun ergänzend zum Rollenoffset für den Druck von Dekorpapieren eingesetzt. Das führt zu neuen Möglichkeiten. Seite Ende letzten Jahres bietet Swiss Krono deshalb einen kundenindividuellen Druck von Oberflächen an. Bis zu einer Ausladung von 3300 × 1300 Millimetern und ab Stückzahl eins kann inhouse digital gedruckt werden. Benötigen die Kund*innen eine grösser dimensionierte Platte, so produziert diese Swiss Krono im Werk Deutschland, das auf Digitaldruck spezialisiert ist. Der Gestaltungen gibt es so viele wie die Ideen der Kund*innen diese vorgeben. Berücksichtigen muss man lediglich den Rapport, sollte ein Werk die Plattengrösse überragen.

Dank der sogenannten Synchronpore sind gerade Holzoptiken nur noch schwer von echtem Holz zu unterscheiden.
Gesteinsartige Oberflächenstrukturen sind im Trend.