Das Lengnauer Unternehmen Tide Ocean steht für hochwertige Kunststoffrezyklate. Es sorgt für Anreize, Plastikabfälle zu sammeln, derzeit vor allem in Thailand. Aus den gesammelten Abfällen entstehen wiederum Produkte. Ein Beispiel ist «Sport» von Kvadrat, das erste Polstertextil aus 100% recyceltem, ozeangebundenem Plastik. Auch andere Anwendungen aus den recycelten Kunststoffen PET, PA, PP, HDPE und LDPE sind möglich.
Die Gezeiten fördern ihn zutage: den Plastikmüll in den Meeren. Das Unternehmen Tide Ocean hat sich auf die Fahne geschrieben, diesen einzusammeln und ihn zu Sekundärrohstoffen zu verarbeiten, aus denen wiederum Produkte entstehen können. Der ökologische Fussabdruck dieser Produkte fällt besser aus, als wenn zu ihrer Erzeugung Primärrohstoffe eingesetzt würden. Konkret sind von Tide ein Granulat für den Kunststoffspritzguss, ein Garn zum Erschaffen von Textilien sowie ein Filament für den 3D-Druck erhältlich. In den einzelnen Produktkategorien gibt es wiederum eine Vielzahl an Lösungen, welche jeweils auf spezifische Anwendungen hin gestaltet wurden oder werden.
Vom Müll zum Produkt
Tide Ocean hat sich im Jahr 2019 formiert. Gemäss Presseberichten von damals wurde in Zusammenarbeit mit Materialexperten von der Hochschule für Technik in Rapperswil ein technisches Verfahren entwickelt, um das teils spröde Meeresplastik zu neuwertigem Kunststoff umzuformen. Heute sei das Verfahren weiter verbreitet, erklärt Daniel Schwendemann, Professor am IWK. Nur werde es leider noch selten eingesetzt.
Eingesammeltes Plastik lässt sich also durchaus rezyklieren. Wichtig ist die minutiöse Sortierung der unterschiedlichen Kunststoffe. Die Sortierung geschehe bei Tide hervorragend, so Schwendemann. Das Argument, dass gerade Textilien aus rezykliertem PET ein zweifelhafter Ruf anhaftet, weil das Material so aus einem funktionierenden Materialkreislauf gerissen werde, lassen die Spezialisten von Tide zwar gelten, nicht aber für ihre Produkte: Diese entstünden aus weggeworfenem Plastik, aus «Ocean Bound Waste», der je nach Sammelort verschieden zusammengesetzt sein kann. Zudem stellt Tide ja nicht nur Garn her, sondern eben auch Filament und Kunststoffgranulat. Aus Letzterem lassen sich theoretisch wiederum Behältnisse herstellen.
Eine halbe Million Sofas
Rund 1500 Tonnen Plastikabfälle hat die Lengnauer Firma mit Büros in Basel per Ende 2024 nach eigenen Angaben verarbeitet; und die Tendenz ist steigend. Die recycelten Materialien von Tide sind so gut, dass sich die Firma Kvadrat dafür entschieden hat, gemeinsam mit Designikone Patricia Urquiola einen Polsterstoff zu entwickeln, der gewissermassen dem Meer entsteigt.
«Sport» heisst das Textil, das die dänische Firma vor rund zwei Jahren lancierte. Jedes Kilogramm an «Ocean Bound Plastic» ergibt knapp zwei Laufmeter des Polsterstoffs, der nicht nur schön anzuschauen ist, sondern mit 40’000 angegebenen Martindales auch punkto Widerstandsfähigkeit einiges verspricht. Wenn man davon ausgeht, dass ein Zweiersofa so um die sechs Laufmeter Bezugsstoff verbraucht, dann hätten durch Tide über die Jahre gewissermassen rund eine halbe Million Sofas «gerettet» werden können. Oder anders ausgedrückt: Wenn sämtliche der gesammelten Plastikabfälle in «Sport» geflossen wären, dann hätte man rund 4 Quadratkilometer dieses in 20 Farbvarianten verfügbaren textilen Produkts erhalten.
«Road to 1 Billion Bottles …»
Nicht nur Kvadrat, sondern auch andere namhafte Marken und Hersteller setzen auf eine Kollaboration mit Tide. Damit vertrauen sie auf die Stärken des Unternehmens, welche durch etliche gewonnene Awards sowie einige Zertifikate bezeugt werden. «Ocean Bound Plastic», das bedeutet bei Tide Ocean: Der vornehmlich aus Behältern bestehende Plastikmüll wird im Ozean oder bis höchstens 10 Kilometer ins Festland hinein entlang der Küstenlinie gesammelt. Die Sortierung nach Typen und Farben geschieht vor Ort. Auch die Zerkleinerung sowie die Reinigung passieren da, wo der Abfall auftaucht. Es entsteht ein Granulat in lokaler Produktion, welches über Tide Ocean an den Bestimmungsort gebracht wird.
Das sportliche Ziel von Tide Ocean besteht derzeit darin, eine Milliarde Flaschen zu sammeln. Um das zu erreichen, sucht man nach sogenannten «Changemakern». Das Angebot gibt Unternehmen die Möglichkeit, Tide in ihr eigenes Nachhaltigkeitsprogramm zu integrieren und mitzuhelfen, in Ländern mit einem schlechten Müllentsorgungssystem eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen. Dazu will man am Markt überzeugen und «virgin plastic» nach und nach durch Rezyklate ersetzen.