Die Designmesse Blickfang verzeichnete im Kongresshaus Zürich so viele Besuchende wie seit zehn Jahren nicht mehr. Auffallend: Handwerkliche Qualität ist wieder hoch im Kurs.
«Neuer Luxus»
Vom 15. bis zum 17. November 2024 fand im Zürcher Kongresshaus die Designmesse Blickfang statt. Rund 16’100 Besuchende liessen sich von neuen und auch bewährten Produkten in den Bann ziehen. Im Vergleich zu früheren Jahren war die handwerkliche Qualität der Arbeiten bei dieser Austragung höher zu bewerten. Das fand nicht nur die Jury des Blickfang-Designpreises. Jurymitglied Stephanie Ringel sieht im Handwerk gar eine Art «neuen Luxus». Damit sei gemeint, dass Handwerkswissen in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen würde, weil es rarer werden wird – und dadurch wertvoller – soweit die Kommunikations-Spezialistin in einem Interview.
Entsprechend wurden an der Blickfang in Zürich die Mobiliarwerkstatt sowie die Round Rivers AG zu Gewinnern des Designpreises gekürt. Letztere bekämpft die Plastikverschmutzung in Schweizer Gewässern, indem sie gesammeltes Plastik in hochwertige Textilien und Kleidungsstücke verwandelt.
Perfekt geschreinert
Hinter der Mobiliarwerkstatt verbirgt sich Christian Tanner aus Basel. Seine Möbel schreien nicht nach Aufmerksamkeit. Ihre Innovation steckt in den Details: Einerseits in interessanten funktionalen Lösungen wie beispielsweise einer absenkbaren Tischschublade, andererseits in der Perfektion des Schreinerhandwerks an sich. Das Holz ist sorgfältig gewählt, der Faserverlauf gekonnt eingesetzt. Die Oberflächen wirken edel, bringen die eingesetzte Holzart uneingeschränkt zur Geltung. Und die Konstruktion hält den Anforderungen an die jeweiligen Möbeltypen stand. Die Produkte sind durchdacht und stringent.
Auch bei der Möbelmanufaktur 1980 zelebriert man traditionsgemäss das Handwerk. Geschäftsführer Marc Künzle erachtet es als seine Aufgabe, vermehrt die Arbeiten sichtbar zu machen, welche hinter den Objekten stecken. Nicht jeder Schreiner sei beispielsweise in der Lage, einen Tisch in der Komplexität des ausgestellten Modells «Amun» aus einem einzigen Baumstamm herzustellen, erklärt er. Bei jedem einzelnen Möbelstück wird kein Aufwand gescheut, zeitloses Design mit höchster Handwerkskunst zu verbinden. Die durchdachten Konstruktionen – ohne technische Hilfsmittel wie Seilzüge oder ähnliches – machen jedes Möbelstück zu einem handwerklichen Meisterwerk. Entsprechend hoch sind die Ansprüche, welchen die Berufsleute genügen müssen.
Eine Prise Extravaganz
Die Schreinerei Spicher aus Brugg produziert seit 1981 Möbel. Vor rund fünf Jahren übernahm Samuel Blaser das unterdessen 30 Mitarbeiter zählende Unternehmen. Spezialität sind handwerklich schöne Lösungen, ob bei Möbeln, Küchen oder ganzen Innenausbauten. An der Blickfang zeigte die Schreinerei unter anderem ihre Rohstahlbox aus 3mm dünnem Stahlblech. Bei diesem Möbel öffnen die Schubladen per Tip-on. Der Einzug geschieht geräuschlos. Speziell an der ausgestellten Version waren die von der Flechterin Nadine Meier verzierten Fronten aus Garn. Die Berührung gestaltete sich angenehm, gleichzeitig verlieh das Textil der Fläche ein farbenfrohes Muster.
Nora Engels ist nicht nur Schreinerin, sie ist gleichzeitig gelernte Holzbildhauerin. Bei ihren Objekten wird das Handwerk mit einem künstlerischen Aspekt gewürzt; die Möbelskulpturen irritieren. Erst bei näherem Hinschauen wird klar, dass Sessel, Sitzbänke oder Hocker, welche eigentlich weich gepolstert sein müssten, aus reinem Massivholz bestehen. Die umtriebige Bündnerin arbeitet aus dem Vollen, lässt die Formen durch gezielte Schläge mit dem Meissel entstehen: Ein kapitoniertes Sitzkissen hier, eine faltige Rückenlehne da. Die Werke werden, wo nötig, mit stabilen Gestellen aus geschwärztem Stahl kombiniert. An einem derartigen Stuhl arbeitet Nora Engels drei Wochen.