Im Sommer sorgte die Kopie eines Sofas von de Sede in einem Zürcher Hotel für mediales Aufsehen. Ein Einzelfall aber ist das nicht: In unzähligen privaten und öffentlichen Räumen finden sich Möbelkopien. Die Möbelbranche wehrt sich gegen die Design- und Produktpiraterie – auch wenn der Kampf schwierig zu führen ist.
Am Anfang stand ein Interview bei Blick TV: Als der indische Hotelbesitzer Kabir Mulchandani im Juli 2022 über die Wiedereröffnung des ehemaligen Zürcher Hotels Atlantis unter dem neuen Namen «Five» sprach, sass er auf einem Ledersofa, das dem DS-600 von de Sede – dem sogenannten «Tatzelwurm» – sehr ähnlich sieht. Nur: Das Sofa war weder ein Original aus der Aargauer Möbelmanufaktur, noch wurde es von dieser im Auftrag auf Mass angefertigt. «Es handelt sich um eine klar erkennbare Kopie des DS-600», schrieb die Firma de Sede in einem Communiqué und drohte mit rechtlichen Schritten. Die Hotelbetreiber wiesen die Vorwürfe als unbegründet zurück: Das «Five» habe das Sofa nach eigenen Designvorgaben produzieren lassen; in den Details gebe es zahlreiche Unterschiede zum Original von de Sede.
Gerichte machen Urheberrechte geltend
Das DS-600 ist eine weltweite Designikone; die erste Serie ging vor 50 Jahren in den Verkauf. Allerdings lässt sich ein Design in der Schweiz nur für maximal 25 Jahre schützen. Deutlich länger gilt, jedenfalls hierzulande, der Urheberrechtsschutz. Die Firma de Sede macht geltend, dass ihre Möbel «aufgrund ihrer eigenständigen gestalterischen Prägung einen umfassenden und weltweiten urheberrechtlichen Schutz geniessen». Dieser Schutz kann von einem Gericht geltend gemacht werden. So erachtete das Bundesgericht beispielsweise einige der weltberühmten Möbel von Le Corbusier als schutzwürdig und verbot einer italienischen Firma den Vertrieb von Kopien in der Schweiz.
«Vor Gericht ist es aber schwierig, für die Gestaltung von Gebrauchsgegenständen Urheberschutz zu erhalten», erklärt Markenanwalt Sven Capol in einem Interview mit der Zeitschrift «Annabelle». Kompliziert wird es auch, wenn die Kopien an einigen Stellen vom Original abweichen, was sowohl bei seriellen Nachahmungen wie «customized-Objekten» bewusst praktiziert wird. Dann muss das Gericht den Gesamteindruck bewerten.
Stark wachsender Markt
Nachahmungen und Fälschungen von Designermöbeln gab es schon immer, doch mit dem Onlinehandel hat sich das Problem massiv verschärft. Möbel zählen heute zu den meistkopierten Produkten überhaupt. Am häufigsten gefälscht werden Stuhlklassiker von Eames, Bauhaus und Le Corbusier; Vertriebsweg Nummer 1 ist das Internet. Dort bestellt auch eine wachsende Kundschaft aus der Schweiz: Mittlerweile beschlagnahmt der Schweizer Zoll jeden Tag gefälschte Vitra-Stühle.
Den Möbelhersteller*innen und lizenzierten Händler*innen entsteht dabei beträchtlicher Schaden. Monika Walser, CEO von de Sede, schätzt, dass Kopien von de Sede im Wert von mindestens drei Millionen Schweizer Franken pro Jahr verkauft werden. «Das zeigt uns zwar, dass die Marke de Sede im Markt ungebrochen beliebt ist, doch wir können die Produktpiraterie nicht einfach hinnehmen», sagt Monika Walser. «Wir müssen unsere über 120 Mitarbeitenden und deren Arbeitsplätze schützen und setzen uns deshalb mit allem Nachdruck und allen rechtlichen Möglichkeiten gegen Fälschungen zur Wehr.» Im Blick habe man nicht nur serielle Kopien und Plagiate, sondern auch «customized-Fälle» wie jene im «Five».