Ocean Safe ist ein Qualitätslabel, das der Textilindustrie hilft, Textilien herzustellen, die sicher sind für den biologischen Kreislauf. Das Berner Unternehmen wurde im Jahr 2019 gegründet und hat 2021 den deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen.
Herr Schweizer, welches ist die Kernkompetenz von Ocean Safe?
Manuel Schweizer: Wir haben einen Baukasten entwickelt, der es den herstellenden Textilunternehmen erlaubt, Cradle-to-Cradle-zertifizierte Stoffe anzubieten. Im Prinzip geht es um einen Polyester-Ersatz, der frei ist von Schwermetallen. Es ist beispielsweise möglich, mit den Bausteinen unseres Kastens einen Cradle-to-Cradle-zertifizierten Vorhang herzustellen. Wenn man sich konsequent der Materialien bedient, die wir im Kasten anbieten, dann besteht das Gewebe, der Nähfaden und sogar der Gleiter aus demselben Material. Dieses ist biologisch abbaubar. Im Bereich der Materialgesundheit erlangt unser «Nanea»-Garn von Cradle-to-Cradle gar die Auszeichnung «Platin», die höchste Zertifizierung in diesem Bereich.
Biologisch abbaubar: Heisst das, man kann die aus «Nanea»-Garn gewebten Textilien einfach auf dem Hauskompost entsorgen?
Das kann man grundsätzlich schon. Es ist wie bei einem unbehandelten Stück Holz, sagen wir bei einem Möbelstück. Wenn dieses in der Wohnung steht, so bleibt es. Ist es jedoch der Witterung ausgesetzt, so geht es nicht lange, und es beginnt sich zu zersetzen. Je nach Art und Menge der vorkommenden Mikroorganismen geht die Zersetzung schneller oder auch mal langsamer voran. Die vorkommende Temperatur hat einen grossen Einfluss auf den Abbau. Das heisst, im Sommer geht es schneller, im Winter geht es langsamer.
Ist die Qualität des «Nanea»-Garns mit herkömmlichen Polyestergarnen vergleichbar?
Absolut. Qualitativ gehen wir keine Kompromisse ein. Die Gruppe von Menschen, welche für den vollen Preis eine mindere Qualität in Kauf nimmt, wenn es dafür ökologisch ist – diese Gruppe ist sehr klein. Also müssen wir mit herkömmlichen Materialien mithalten können. Das können wir auch. Wir zielen mitten in den Markt.
Heisst das, dass auch beanspruchte Textilien wie Möbelstoffe mit Ihrem Baukastensystem machbar sind?
Durchaus. Die Gebrüder Munzert aus Deutschland beispielsweise bieten Möbel-Bezugsstoffe an, die aus unserem Garn gewebt sind. Wie belastbar diese sind, kommt am Ende auf die Webart an. Das Garn an sich ist vergleichbar mit Polyestergarn. Auch der Abrieb entspricht in etwa dem von Polyester. Mit dem Unterschied, dass der aus dem Abrieb entstehende Feinstaub nicht toxisch ist; ein nicht unwesentlicher Faktor, zumal heute die Häuser besser isoliert sind als früher. Ausserdem ist das Produkt «Nanea» von seiner Konstruktion her bereits schwer entflammbar, sodass es sich auch für den Objektbereich eignet. Ohne Ausrüstung versteht sich.
Wie empfehlen Sie die Entsorgung von Stoffen aus Ihrem Baukasten?
Jeder Hersteller, der sich aus unserem Baukasten bedient, erhält einen QR-Code. Dieser kann mit einer von uns vorgegebenen Farbe auf ein Etikett gedruckt werden. «Nanea» ist chemisch rezyklierbar. Das bedeutet, dass sämtliche in einem Produkt enthaltenen Polymere wiederum in Monomere zerlegt werden können, woraus wir dann neue Materialien herstellen.
Ist das chemische Recycling nicht sehr teuer?
Im Moment ist es das noch. Doch es ist auch skalierbar und zukunftsfähig, sollten grosse Mengen umgesetzt werden.
Wie schaffen Sie es, ein Rücknahmesystem für gebrauchte Textilien einzurichten?
Diejenigen Marken, mit denen wir zusammenarbeiten, verpflichten sich, die Rücknahmeetikette anzubringen. Der QR-Code verweist auf eine Landingpage, welche über die Rückgabe informiert. Wir geben vor, dass die Kundschaft einen Anreiz kriegen muss, um ihr Produkt auch zurückzubringen. Wie das im Detail geschieht, ist unserem Partner überlassen. Diejenigen Materialien, die zurückkommen, kompostieren wir für wissenschaftliche Tests. Parallel dazu arbeiten wir mit einem Start-up am chemischen Recycling. Leider erreichen uns zurzeit nur wenige gebrauchte Textilien. Wir wären glücklich, es käme mehr zurück.
Weshalb setzen Sie nicht auf ein Faser-zu-Faser-Recycling?
Weil mit einem Faser-zu-Faser-Recycling lediglich ein Downcycling stattfinden kann. Toxische Farbstoffe und Prozesschemikalien beispielsweise schaffen hier Probleme. Wir wollen aber aus altem «Nanea»-Material wieder hochwertiges neues Material gewinnen können.
Wo findet man bereits «Ocean Safe»-zertifizierte Wohntextilien?
Bei der Stotz Decor AG in Bonstetten, bei der Jab Anstoetz Group, die mit ihren Textilien mehrere Inneneinrichtungsgeschäfte in der Schweiz beliefert. Bei Sonnhaus oder bei Möbel Pfister. Diverse Projekte sind am Laufen.