Was hat Sie auf die Idee gebracht, ein Buch über das Handweben zu schreiben?
Regula Zähner: 2019 verbrachte ich zwei Monate «work and study» an der Marshfield School of Weaving in Vermont (USA). Dort fiel mir ein Buch mit Porträts von amerikanischen Weberinnen des letzten Jahrhunderts in die Hände. Seither liessen mich Fragen nach dem Webhandwerk in der Schweiz und das Interesse an Lebensgeschichten hiesiger Weberinnen und Weber nicht mehr los. Gemeinsam mit der Journalistin Gerlind Martin begannen wir zu recherchieren, besuchten Weberinnen, engagierten weitere Autorinnen und die Berner Fotografin Lisa Schäublin. Das positive Echo auf die ersten Porträts trieb uns an, tiefer in dieses alte, aber überraschend lebendige Handwerk einzutauchen.
Was sind die Erkenntnisse: Wie geht es dem Handwerk heute?
Das Webhandwerk erweist sich als robuster Stoff. Die Berufsausbildung Gewebegestalter/in EFZ bietet eine solide Grundlage, damit das Know-how von Generation zu Generation weitergetragen wird. Dazu kommt eine breite Palette von Bildungsangeboten, vom Freizeitweben bis zu Modulausbildungen. Gut vernetzt und flexibel, finden Weberinnen und Weber ihr Auskommen in Nischen: mit einem eigenen Label, in Ateliers von sozialen Institutionen oder beim Unterrichten. Klassische Handwerksbetriebe gibt es nur wenige: Sie sind gefordert, höchste Qualitäts- und Designstandards zu erfüllen und betriebswirtschaftlich zu handeln.
Wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen: Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie für die Handweberei?
Die Langsamkeit und Einzigartigkeit des Webprozesses, das handwerkliche Geschick sowie die Geschichten hinter den Produkten werden vermehrt geschätzt. Zugleich gibt es noch so vieles zu erforschen und zu entdecken, gerade im digitalen Zeitalter mit seinen neuen Möglichkeiten. Ich bin zuversichtlich, dass die Weberei-Community dieses Spannungsfeld nutzen und das Handweben weiter entwickeln wird.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
Gerlind Martin, Regula Zähner (Hg.)
Alle Fäden in der Hand. Weben in der Schweiz
Ca. 220 Seiten, ca. 160 meist farbige Abbildungen
Christoph Merian Verlag Basel, 2024, CHF 49.–
ISBN 978-3-03969-035-0