Der Trend Council der Heimtextil kuratiert jährlich eine grosse Sonderschau zu den Trends der kommenden Saison. Bei der nächsten Ausgabe vom 10. bis 13. Januar 2023 stehen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft im Fokus. Wir haben bei Bettina Bär, Director Heimtextil der Messe Frankfurt, nachgefragt, was das genau heisst.
Die Heimtextil stellt an ihrer Sonderschau Ansätze der Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie vor. Wo stehen die Heimtextilien im Vergleich zu anderen Zweigen der Textilindustrie?
Bettina Bär: Ich war zwei Jahre lang für die Neonyt verantwortlich, unsere Messe für nachhaltige Mode. Dieser Zweig hat in Sachen Nachhaltigkeit noch eine lange Reise vor sich. Die Heimtextilien sind etwas weiter. Sie spüren den Druck der Endkonsumierenden und Verbrauchenden, insbesondere jenen der Generationen Z und Alpha. Diese sind bereit, mehr für nachhaltig produzierte Artikel auszugeben. Die Textilunternehmen haben sich in Teilen auf diesen Druck eingestellt. Es gibt aber noch einen weiten Weg zu gehen. Allein der Abfall an Heimtextilien ist sehr hoch. Im Vereinigten Königreich zum Beispiel werden jährlich 630’000 Tonnen Heimtextilien einfach weggeworfen. Jeder Schritt in Richtung zirkulärer Textilkreisläufe wird in Zukunft entscheidend dazu beitragen, Konsumentinnen und Konsumenten für den wahren Wert von Rohstoffen zu sensibilisieren.
Wie gross ist das Interesse der Fachwelt an Nachhaltigkeit, wenn bei manchen Endkonsument*innen Geiz doch immer noch geil ist und die Krisen im Jahr 2022 die Kaufkraft schwächen?
«Geiz ist geil» befindet sich nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft. Heute gehen einige Endkundinnen und Endkunden in die Geschäfte und fragen nach, woher die Produkte stammen und aus welchen Materialien sie gefertigt wurden. Teils können sie diese Informationen auf QR-Codes an Etiketten direkt aufrufen. Die globale Erwärmung ist da, und zirkuläre Prozesse – vom Abbau eines Grundproduktes bis zur Rückführung des Endprodukts in den technischen oder biologischen Kreislauf – sind wichtige Lösungsansätze, die wir zur kommenden Heimtextil im Trendareal unter dem Leitthema «Textiles Matter» vorstellen. Aber auch die aktuell hohe Inflation kann die Nachfrage nach nachhaltigen und langlebigen Produkten verstärken.
Welche Rolle spielt die Regionalität an der Messe?
Wir haben Ausstellerinnen und Aussteller, die regional produzieren. Dazu gehören zum Beispiel europäische Webereien. Das Thema der regionalen Produktion ist allerdings kein Steckenpferd des Westens. Die asiatischen Ausstellerinnen und Aussteller, die einen grossen Teil der Heimtextil ausmachen, haben das Thema ebenfalls im Auge. Grundsätzlich steht angesichts der hohen Rohstoff- und Transportkosten eine zentrale Frage aktuell im Vordergrund: Wie müssen textile Lieferketten – die so komplex und global vernetzt sind wie in kaum einer anderen Branche – jetzt neu gedacht werden? Regionale Ansätze – und damit kurze, umweltfreundliche und noch transparentere Lieferketten – können hier wichtige neue Impulse geben.
Was macht die Heimtextil als Messe, um ebenfalls nachhaltig zu sein?
Das Thema wird auf verschiedenen Ebenen bespielt. Im Design eines Produktes, egal ob es sich um eine Sonderschau oder ein textiles Endprodukt handelt, wird die Grundlage für das Thema der Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit gelegt. Bei der Sonderschau hat die verantwortliche Agentur FranklinTill deshalb bei der Konzeption darauf geachtet, dass alle Elemente wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Unsere Teppichböden werden aus recycelbaren Rohstoffen gefertigt. Am Ende ihrer Lebensdauer kann man sie in Granulate zerlegen und weiterverarbeiten. Für unsere Ausstellerinnen und Aussteller haben wir eine Greencheck-Broschüre entwickelt. Sie enthält Empfehlungen für einen nachhaltigen Standauftritt wie etwa die Verwendung von Standbausystemen, die man einlagern und mehrfach benutzen kann. Produziert werden sie von regionalen Unternehmen. Bei der Messe Frankfurt ist Nachhaltigkeit schon lange ein Thema, das sie mit verschiedenen Partnerinnen und Partnern verfolgt. So beteiligt sie sich etwa an der Testphase für das neue Verfahren des UN Global Compact, ist Miteigentümerin eines Solarparks und bezieht 100 Prozent Ökostrom.